„Ich arbeite online, aber ich hab‘ kein Online-Business“ – sagte eine Kundin neulich.
Lasst uns mal über diese Unterscheidung sprechen.
Was ist überhaupt ein Online-Business?
Wenn ihr danach googelt oder ChatGPT fragt, werdet ihr wahrscheinlich Antworten bekommen wie: „Ein Online-Business ist eine Geschäftsaktivität, die im Internet stattfindet – sei es E-Commerce, digitale Dienstleistungen oder digitale Inhalte.“ Diese Definition ist für meinen Geschmack noch zu breit, da sie verschiedene Geschäftsmodelle umfasst.
Die Grundformel für ein Online-Business
Wenn ich ‚Online-Business‘ sage, meine ich damit ein Geschäftsmodell, das in seinem Kern aus zwei Komponenten besteht:
Teil 1: Du baust dir Online eine Audience auf (z.B. Social-Media-Follower, Communitymitglieder oder Podcast-Hörer:innen)
Teil 2: Du monetarisierst diese Audience mit digitalen Produkten (z.B. Kursen, E-Books, Templates oder exklusivem Content)
Dieses Geschäftsmodell ist (theoretisch) simpler als andere Online-Business-Geschäftsmodelle. Man hat nicht die logistischen Herausforderungen von E-Commerce-Unternehmen und man kann digitale Produkte im Gegensatz zu Dienstleistungen besser ’skalieren‘. Die 1000-True-Fans-Theorie von Kevin Kelly besagt: wenn du irgendwo auf der großen weiten Welt 1000 Leute finden, die sich für *dein* Thema interessieren, kannst du daraus ein Business machen.
Das klingt super, oder? Wo ist der Haken? Let’s talk about it…
Nachteile des Online-Business-Geschäftsmodells
Nachteil 1: je passiver das Produkt, desto mehr Marketing ist notwendig
Es gibt Leute, die in dieses Geschäftsmodell reinrutschen; und es gibt welche, die es bewusst auswählen. Diejenigen, die da reinrutschen sind in der Regel erst Content Creator:innen oder Influencer:innen. Durch den Content kam die Audience, und erst danach haben sie digitale Produkte dazugenommen.
Wenn man hingegen mit den Produkten startet (oder zumidnest der groben Idee, *dass* man digitale Produkte anbieten will), dann muss man die Audience erstmal aufbauen. Und das ist nicht easy. Ich sag mal so: es gibt Leute, denen fällt es sehr leicht, Content zu machen, sich zu zeigen und online zu connecten. Für andere ist das eine Herausforderung. Aber wenn wir digitale Produkte verkaufen wollen, brauchen wir nunmal eine Kundschaft. Also gibt es diese Möglichkeiten:
- selber eine Audience über Content- und Social-Media-Marketing aufbauen
- Werbeanzeigen schalten (paid traffic)
- other people’s Audiences nutzen über PR, Kooperationen und Influencer Marketing
- Suchtraffic abgreifen über SEO & SEA
Ich wage zu behaupten: wirklich nachhaltig ist davon nur Möglichkeit 1. Denn paid traffic hört auf zu fließen, sobald wir den Geldhahn zudrehen. PR-Erfolge hängen sehr vom eigenen Netzwerk und auch Trends ab; und da ist die Liste der potenziellen Kooperationspartner:innen endlich. Und für SEO braucht man Geduld und Glück, für SEA wieder Geld.
Für native Content Creator:innen ist der Content-Part kein Problem. Für viele andere schon. Vor allem, wenn das Produkt ‚passiv‘ ist. Denn je passiver das Produkt, desto mehr Marketing ist notwendig, um das Produkt zu verkaufen.
Stell dir vor, du bist Webentwickler:in und verkaufst Website-Pakete als Done-for-You-Dienstleistung für 5000€. Um 10k Umsatz pro Monat zu machen, musst du also zwei Websites pro Monat verkaufen und abliefern. Wenn du stattdessen einen „so erstellst du dir deine eigene Website“-Onlinekurs für 500€ verkaufst, musst du 20 Käufer:innen pro Monat finden. Und bedenke: diese Leute ticken anders als deine bisherige Kundschaft. Für eine Website bezahlen und das für das Wissen, wie man sich eventuell selber eine Website bauen könnte bezahlen sind zwei paar Schuhe. Du konkurrierst hier außerdem mit einem Dutzend anderer Website-Kurse in deiner Preisklasse, 20€ Udemy-Kursen, Büchern und natürlich jeder Menge kostenloser Tutorials auf YouTube.
Worauf ich hinaus will: Die Webentwicklerin braucht nur zwei Kund:innen pro Monat. Wenn sie gut ist, kommen diese durch Weiterempfehlungen oder erneute Beauftragungen zustande. Die Onlinekursverkäuferin braucht hingegen auf jeden Fall eine Marketingmaschine, um auf ihre 20 Sales pro Monat zu kommen. Und Marketing ist etwas, was viele Unternehmer:innen entweder lieben oder hassen. Wenn man es hasst, sollte man sich gut überlegen, ob ein Online-Biz wirklich etwas für einen ist.
Nachteil 2: Funnels, Automatisierungen und Co: viele ‚moving pieces‘
Oben habe ich ja geschrieben, dass dieses Geschäftsmodell theoretisch simpel ist aus & nur zwei Komponenten besteht: Audience und digitalen Produkten. Doch der Teufel steckt im Detail.
*Theoretisch* gibt es Tools, die versprechen, eine all-in-one-Lösung zu sein. Content veröffentlichen, Kontaktdaten von Konsument:innen abgreifen, Angebote machen… In der Realität passen solche all-in-one-Tools dann doch nicht zu den eigenen Wünschen (oder sind nicht DSGVO-konform, dies das) und man muss sich sein eigenens Online-Biz dann aus einem Dutzend Tools zusammenfrickeln:
- Website
- Domain
- E-Mail-Marketing
- Kursplattform
- Onlineshop oder Zahlungsanbieter
- Buchhaltung
- Automatisierung
- Funnels
- Content-Creation- und SEO-Tools
- Analytics
- Projektmanagement und Kollaboration mit Team/VAs
- Backup und Sicherheit
- Support und Kund:innenkommunikation
- Webinartool
- Podcast- oder Video-Hosting
ja lol ey. Das ist nicht nur komplex, sondern auch teuer. Ja klar, *wenn* man gut verdient, dann sind Tool-Kosten kein Problem und einfach Betriebsausgaben. Aber was, wenns mal nicht mehr gut läuft? Oder wenn man zu Anfang nicht viel investieren kann?
Dazu kommt natürlich noch die Zeit, die man braucht, um solche Tools zu recherchieren, einzurichten und zu warten. Auch hier muss man entweder eigene Zeit reinstecken, oder Geld für VAs/Freelancer:innen.
Nachteil 3: Das Geschäftsmodell ist abhängig von Trends
Passend zu der Tool-Komplexität: Auch in anderen Belangen steht ein Online-Business-Geschäftsmodell auf wackeligen Beinen. So vieles kann sich ändern: Regularieren (z.B. dass Leadmagneten seit ein par Jahren ‚0€ Produkt‘ heißen müssen statt Freebie), der Markt oder auch einzelne Tools oder Konzerne. Es gibt digitale Unternehmen, die stark auf SEO setzen. Wenn sich durch ein Google-Update deren Ranking verschlechtert, hat das einen direkten Einfluss aufs Geschäft.
Worauf ich hinaus will: Man muss bei diesem Geschäftsmodell halt auch immer dranbleiben. Man kann einmal ein Produkt aufsetzen und sich dann freuen, dass auf *magische Weise* jeden Monat Hunderte oder Tausende Euro passiv aufm Konto landen. Diese Vision von Mit-Laptop-am-Strand-rich-werden wird nur erzählt von Leuten, die daran mitverdienen. Man muss halt auch aufm Schirm haben, dass es eine ganze Industrie gibt von Leuten, die einem beibringen wollen, wie man ein Onlinebusiness macht, weil sie da dranhängen. Das bringt mich zu..
Der Online Business Industrial Complex
Im Goldrausch gab es Leute, die selber nach Gold gegraben haben — und solche, die Schaufeln verkauft haben. Das gleiche ist im Online-Business-Geschäftsmodell der Fall.
- Online-Business-Coaches und -Influencer:innen
- Anbieter:innen von Tools, Software & Marktplätzen
- Virtuelle Assistent:innen, Dienstleister:innen und Coaches, die sich auf bestimmte Aspekte spezialisiert haben, z.B. bestimmte Tools oder Marketingdisziplinen
– sie alle verdienen mit, je mehr Leute ein Online Business starten.
Früher haben die „Komm in die Gruppe“-Dudes mit ihren gemieteten Sportwägen Werbung für Dropshipping gemacht, aktuell sehe ich sehr viel dubiose Werbung für Skool-Membership-Geschäftsmodelle, und der ganze Faceless-Marketing-Master-Resell-Right-Scheiß geht mir so richtig auf die Nerven.
Versteht mich nicht falsch. Ich will nicht sagen, dass das Online-Business-Geschäftsmodell per se falsch, schlecht oder scammy sei. Das ist es nicht. (Also, Resell-Kurse schon, die gehören bitte auf den Pyramidensystem-Abstellplatz.) Es gibt Leute, die sind damit sehr erfolgreich, verkaufen qualitativ hochwertige digitale Produkte und verzichten auf unethisches Marketing.
Ich will aber sagen: es gibt viele Leute, für die ein Online-Biz nicht funktioniert, unter anderem weil vorgekaukelt sei, es wär so einfach.
Das Online-Business-Geschäftsmodell fühlt sich für mich persönlich nach „high risk, high reward“ an. Ja, es hat das Potenzial richtig gut zu laufen, aber nur mit einer richtigen Konstellation aus Markt, Skills und Glück. Ich sage das aus eigener Erfahrung, weil ich in meiner Selbstständigkeit auch Komponten aus diesem Geschäftsmodelle habe und damit sowohl Fails als auch Wins erlebt habe.
Nicht für alle Menschen ist ein Online-Business das richtige Geschäftsmodell.
Es gibt eben Menschen, die haben nicht so viel Lust auf so viel Marketing. Es gibt Menschen, die wollen ein easy Business, das ohne ein Dutzend Tools und Gimmicks funktioniert. Es gibt Leute, die wollen unterm Radar fliegen. Sie wollen weder bekannt sein, noch tausend Follower in irgend ’nem sozialen Netzwerk anhäufen, sondern die wollen nur eine Handvoll Stammkunden. Es gibt Leute, die wollen kein passives & skalierbares Selbstlernprodukt oder Template erstellen, sondern die schätzen die Zusammenarbeit mit Menschen.
Ich will nicht, dass diese Menschen sich schlecht fühlen; oder dass sie das Gefühl haben, alle Wege führen zum Onlinekurs.
Und wenn wir jetzt zurückkommen zu dem Spruch, den meine Kundin gesagt hat: „Ich arbeite online, aber ich hab‘ kein Online-Business“ – was genau bedeutet das?
- Sie arbeitet online, also sie ist ortsunabhängig. Sie sitzt manchmal in Deutschland und manchmal am anderen Ende der Welt in der Sonne.
- Sie arbeitet mit 1:1-Kundinnen. Nach einem wiederkehrenden Framework, aber individuell und persönlich.
- Sie arbeitet mit digitalen Tools, aber nur einer Handvoll ausgewählter Tools und keinem Funnel mit tausend automatisierten Schritten.
- Sie verdient gut mit ihrem ‚online‘ Business, aber sie muss dafür auch was machen. Sie kann sich nicht einfach nur in den Liegestuhl setzen und Kokosnusswasser schlürfen.
Im Kern ist mein Workshop-Business sehr ähnlich zu ihrem. Ich sitze zwar meistens in meinem Home-Office, aber wenn ich wollte oder müsste, kann ich von überall arbeiten. (Throwback zu 2022, als ich wegen einem familiären Notfall temporär von meinem alten Kinderzimmer aus arbeiten musste.) Ich liebe es, neue Tools ausprobieren, aber im Endeffekt brauche ich für mein Workshop-Business nur 2 Arten von Tools: eins für Videokonferenzen und eins für Präsis. Ich mache sehr gerne Content, aber für mein Workshop-Business sind Empfehlungen und SEO die wichtigeren Marketingkanäle. Und ja, meine Workshops sind alles andere als ‚passiv‘. Ich muss abliefern, um danach eine Rechnung schreiben zu können.
Was ist dir wichtig? Welches Geschäftsmodell passt dazu?
Ich kann absolut verstehen, dass die Aussicht eines Online-Businesses verlockend ist. Aber es hat Nachteile und passt nicht zu jedem.
Deshalb möchte ich jeder Person, die sich dafür interessiert, ausdrücklich raten: frage dich, was dir wichtig ist. Viele der Versprechungen aus der Online-Business-Bubble, zum Beispiel örtliche Unabhängigkeit und zeitliche Flexibilität, kann man auch in anderen Geschäftsmodellen erreichen.
Manchmal spreche ich mit Leuten, und sie sagen mir sowas wie: „Ja, ich habe schonmal darüber nachgedacht, zu diesem Thema einen Workshop zu machen. Aber sollte ich dann nicht lieber gleich einen Kurs daraus machen?!“
Meine Antwort darauf: Erstens, nein, du solltest eh immer mit einem Workshop starten, weil dein späterer Kurs dann unendlich viel besser wird.
Und Zweitens: Die Entscheidung ist weitreichender als sie aussieht. Die Frage nach „Workshop oder Kurs?“ ist nicht vergleichbar mit „Urlaub an der Nord- oder Ostsee?“, sondern eher „Urlaub an der Nordsee oder in der Dominikanischen Republik?“
Mit einem Online-Kurs committest du dich zum Online-Business-Geschäftsmodell. Du *musst* dann dieses Spiel mitspielen. Mit Workshops hast du die Wahl zwischen zwei Geschäftsmodellen – oder sogar der Kombi.
Die Workshop-Geschäftsmodelle
Mit Workshops ist es so: Du kannst Workshops im Online-Business-Geschäftsmodell betreiben. Du baust dir deine Audience auf und verkaufst deine Workshop-Tickets an sie. Innerhalb einer Produkttreppe können Workshops die teurere oder die günstigere Alternative zu einem anderen Angebot sein. Du musst dich aber selber um dein Marketing kümmern und das Risiko tragen, dass ein selbst organisierter Workshop am Ende womöglich nicht profitabel ist.
Die andere Variante ist das, was ich das Dozent:innen-Geschäftsmodell nenne. Das ist ein Oberbegriff für verschiedene Zielgruppen, an die wir verkaufen können (mehr dazu in der Masterclass), aber der Kern ist: Das ist pures B2B. Hier braucht man keine Audience, sondern B2B-Marketing. Wenn es dir wichtig ist, ortsunabhängig zu arbeiten, dann biete nur Online-Workshops an. Wenn du gerne unterwegs bist, biete Vor-Ort-Termine an und lass dir die Reisekosten erstatten.
Es stimmt, dass das Dozent:innen-Modell nicht so skalierbar ist wie der Verkauf von digitalen Produkten. Dafür ist es wirklich (!) simpler und besteht aus weniger Puzzlestücken. Und nur weil man nicht *theoretisch* unendlich viele Kurse verkaufen kann, heißt es nicht, dass es nicht sehr profitabel sein kann, eine Handvoll Workshops pro Monat zu verkaufen 😉
Ich gehe in meiner Masterclass dazu mehr ins Detail. In ungefähr zwei Stunden bekommt man in dieser Masterclass einen Überblick über die Geschäftsmodelle (anhand fiktiver, anschaulicher Charaktere wie Olli Onlinebusiness, Coco Coach und Hannah Hundetrainerin ;)), entwickelt Themenideen und kann die eigenen Workshop-Ideen besser einordnen. (Und ja, die Masterclass ist ein digitales Produkt, ich sehe die Ironie! :D)
Wenn du Gedanken hast zum Thema Online-Geschäftsmodelle, oder wenn du dich fragst, ob das zu dir passt: Schreib mir gern auf Insta. Wenn du konkrete Beispiele für die verschiedenen Geschäftsmodelle sehen und das auf dich beziehen willst, mach die Masterclass!
Und wenn du nach diesem 2000 Wörter Blogpost nicht genug hast, kannst du hier weiterlesen: