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Ein Blog über Workshops als Geschäftsmodell. Von Katrin Gildner

Wenn der Impostor zwischen dir und deinem Workshop steht

Prokrastination, Perfektionismus und Co: so zeigt sich das Impostor Phänomen. Was man dagegen machen kann, zeigt Psychologin Anna Pietzka:

Dieser Gastbeitrag über das Impostor-Phänomen stammt von Anna Pietzka: Psychologin, Dozentin, bald veröffentlichte Autorin und Accelerator-Alumni. Mehr dazu unten. Erstmal lassen wir uns jetzt von erklären, was eigentlich hinter dem Impostor-Phänomen steckt und was wir dagegen tun können:


Einen Workshop konzipieren? Oh, das könnte spannend sein – sagt dein Bauchgefühl. Egal, ob als eigenständiges Angebot oder als Teil deines Marketings: Wenn du daran denkst, einen Workshop in dein Portfolio aufzunehmen, sind da direkt einige Ideen, jede Menge Neugier und eine ordentliche Portion Anfangseuphorie.

Allerdings, na hoppla, meldet sich nach der Let’s-do-it-Stimme noch eine andere. Eine, die ne ordentliche Ladung Selbstzweifel im Gepäck hat und dich nun irgendwo zwischen Perfektionismus und Prokrastination auf der Stelle treten lässt. Das zeigt sich vielleicht so … 

Erkennst du dich hier wieder? Wie sich das Impostor-Phänomen beim Planen von Workshops zeigt:

  • In der Ideenphase nach dem Motto: „Wer bin ich schon, um …“ In deinem Kopf kreisen Gedanken wie: „Kann ich überhaupt Workshops anbieten? Weiß ich genug dafür? Was, wenn das keiner bucht? Und was, wenn es jemand bucht und komplett kacke findet?“ So ziehen die Tage und Wochen ins Land und die Idee ist immer noch nur eine Idee.
  • In der Konzeptionsphase: „Perfekt oder gar nicht!“ Dein Browser ist voller offener Tabs: Studien, Modelle und Blogartikel – lieber noch mehr recherchieren und lesen, soll ja alles top fundiert sein. Nur leider kommt der „Jetzt weiß ich genug“-Moment irgendwie nicht und deine Workshop-Agenda bleibt leer. 
  • In der Vermarktungsphase: „Geht das auch ohne Sichtbarkeit bitte?” Vielleicht hast du auch schon zwölf Workshopkonzepte gedanklich oder tatsächlich ausgearbeitet – aber kein Mensch weiß davon? Statt in der Vermarktung deines Workshops landet deine Energie doch nochmal in Folienlayouts und Canva-Farbtönen. Oder einfach in einem anderen Projekt. Dein Workshop ist zu 192 % fertig, aber zu 0 % sichtbar. Dass du dich unsicher fühlst, siehst du als unstreitbares Zeichen dafür, dass dein Konzept einfach doch noch nicht ganz rund oder du nicht gut genug vorbereitet bist. Vielleicht den Workshop erst mal kostenlos an die Zielgruppe „verkaufen“?, fragst du dich und ärgerst  dich gleichzeitig, weil andere (die definitiv viel weniger Expertise haben) voller Selbstbewusstsein den größten Mist als Workshop unter die Leute bringen.

Wenn du dich in diesen oder ähnlichen Gedanken, Gefühlen und Verhalten wiederentdeckst, liegt die Wahrscheinlichkeit nah, dass du Bekanntschaft mit dem Impostor-Phänomen machst. Willkommen im Club – du bist in guter Gesellschaft.

Das Impostor-Phänomen: Was es ist und was nicht 

Das Impostor-Phänomen, auch bekannt als Hochstapler-Syndrom, ist das psychologische Muster, bei dem Menschen unabhängig von ihren tatsächlichen Leistungen und Fähigkeiten glauben, dass sie ihre Erfolge nur durch Glück, Zufall oder übermäßige Anstrengung erreicht haben. Sie zweifeln an ihrer Kompetenz, ihrer Daseinsberechtigung in bestimmten Kontexten oder generell an ihrer Wirkung auf andere. Das Impostor-Phänomen ist keine Krankheit und stellt keine klinische Diagnose dar. Es handelt sich vielmehr um eine spezifische Art der Selbstwahrnehmung, die oft mit Selbstsabotage einhergeht und das Wohlbefinden, aber auch die persönliche Entwicklung beeinflussen kann. 

Übrigens: Menschen, die das Impostor-Phänomen erleben, zweifeln nicht grundsätzlich an sich selbst. Oft schätzen sie viele ihrer Fähigkeiten realistisch und positiv ein. Die ungerechtfertigten Selbstzweifel konzentrieren sich meist auf genau jene Bereiche, die sie gerade persönlich als besonders wichtig oder erstrebenswert empfinden.

Der Teufelskreis überzogener Selbstzweifel: Der Impostor-Zyklus

Wenn wir uns in einer Spirale überzogener Selbstzweifel wiederfinden, dann folgt diese oft einem wiederkehrenden Muster. Eine Art Kreislauf sich selbst verstärkender Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen – der sogenannte Impostor-Zyklus.

Darstellung von Anna Pietzka – angelehnt an Clance, P. R. (1985). The Impostor Phenomenon: Overcoming the fear that haunts your success. Atlanta, GA: Peachtree.

Sagen wir, du spielst mit dem Gedanken, einen Workshop anzubieten – das könnte eine mögliche auslösende Situation sein. Bewusst oder (viel häufiger) unbewusst unterziehst du diese Idee unmittelbar einer innerlichen Bewertung. Der Teil deines Gehirns, der evolutionär darauf ausgelegt ist, dich vor Gefahren zu schützen, denkt: „Ja, köööönnte gut sein, ABER … du könntest auch scheitern, du könntest Fehler machen, dich blamieren.” Deine psychischen Grundbedürfnisse nach Kontrolle, Selbstwertschutz und Lustgewinn fühlen sich bedroht – das erlebst du in Form von Emotionen wie innerer Unruhe, Sorge, Scham oder Frust. Wahrscheinlich empfindest du diese Gefühle als unangenehm und fährst (oft, ohne es wirklich zu merken) direkt Strategien auf, um diesem Impostor-Erleben zu begegnen.

  • Option 1 – Vermeiden: Vielleicht lässt du das Vorhaben, einen Workshop umzusetzen, ganz fallen. Die Idee einfach Idee sein lassen, führt kurzfristig zu einer Erleichterung. Auf lange Sicht nährt es aber den Selbstzweifel, der sagt:  „Andere stellen sich nicht so an.”
  • Option 2 – Aufschieben: „Mach ich nur nicht heute”, ist auch ein beliebter Klassiker. Du schiebst die Entscheidung für ein Workshop-Thema vor dir her oder legst ewig nicht fest, wann dein Workshop stattfinden soll. Die Prokrastination kann sich aber auch darin, zeigen, dass du aufschiebst, einen angemessenen Preis für deinen Workshop anzusetzen und im Testlauf vom Testlauf hängst. Auch Aufschieben kann sich im ersten Moment gut anfühlen. Nach dem Motto: Wenn ich mich falsch entscheide oder scheitere, dann wenigstens nicht heute. 
  • Option 3 – Perfektionieren: Oder begegnest du den Zweifeln und unangenehmen Gefühlen vielleicht mit Überengagement? Hast schon drölfzig Zielgruppen-Interviews geführt, um auch wirklich den Bedarf zu verstehen? Deine Folien zum achten Mal “verbessert”? Machst du Nachtschichten bis dein ganzer Körper schmerzt? Und statt 80:20 landest du bei 80:200?

Womöglich hast du aufgeschoben oder perfektioniert, vielleicht beides abwechselnd oder gleichzeitig. Aber, es kommt der Moment, in dem du weitergehst, eine (nennen wir es mal globalgalaktisch) Leistung erbringst: jemandem von deinem geplanten Workshop erzählst, den ersten Platz verkaufst oder ihn sogar durchführst. Puh, überwunden, Erleichterung. Aber nur kurz, denn schnell bist du wieder mit etwas anderem beschäftigt: nämlich damit, das Feedback, dass du erhalten hast, überzuanalysieren. Positives Feedback spielst du herunter. 

Wenn du vorher (gefühlt) viel prokrastiniert hast, rechtfertigst du dir anerkennende Worte und Erfolge kurzerhand mit “Glück” – das war nur Zufall, die Teilnehmenden sehr zugänglich usw. Und Zack schließt sich die Sorge an, ob du beim nächsten Mal wieder so viel Glück haben und der Zufall auf deiner Seite sein wird. Wenn du im Vorfeld besonders perfektionistisch unterwegs warst, liegt dir wahrscheinlich sofort die Erklärung nahe, dass das alles nur durch deine übermäßige Anstrengung möglich war. Und es dauert nicht lange, bis die kritische Stimme in dir sich fragt, ob du das beim nächsten Mal wieder so leisten kannst. Was, wenn du mal aus der Kalten erwischt wirst, ohne große Vorbereitung? Oder was, wenn die Anforderungen steigen, kannst du ihnen dann noch gerecht werden? 

Statt positives Feedback anzunehmen, wertest du es ab (und dich damit gleich mit). Das stärkt den überzogenen Selbstzweifel und den inneren Impostor, der sagt: “Wann fällt den Leuten auf, dass ich eigentlich keine Ahnung habe, was ich hier tue?”

Wenn du mal kein Feedback oder konstruktiv-kritische Rückmeldungen bekommst interpretierst du dies über. Du denkst vielleicht sowas wie: “Dass sie nichts gesagt haben, zeigt ja, dass sie es schlecht fanden.” Verbesserungsvorschläge siehst du als Zeichen deiner Unzulänglichkeit und dafür, dass andere offensichtlich viel mehr Plan haben als du. Und klar, auch das erhöht deine Selbstzweifel und stärkt das Gefühl hochzustapeln – sodass der Kreislauf schon bald munter von vorne beginnen kann. 

Den Impostor-Zyklus unterbrechen

Hier auf dem digitalen Papier wirkt dieser Kreislauf ganz augenscheinlich. Im Alltag jedoch verläuft der Zyklus zuweilen so subtil, dass wir gar nicht bemerken, dass wir gerade darin stecken. Manchmal denken wir nur: „Warum bin ich innerlich so unruhig?“ und erkennen nicht direkt die Impostor-Gefühle. Ein „Wieso stehe ich gerade vorm Kühlschrank?” oder “Wow, es ist ja schon Mitternacht und ich sitze immer noch hier und arbeite daran“, können wir hin und wieder gar nicht als Ergebnis von Prokrastination und Perfektionismus erkennen. Auch “Ach, das war doch nichts” kommt uns ganz selbstverständlich über die Lippen, ohne dass wir dabei die selbstabwertende Bescheidenheit entdecken.

Jetzt, wo du den Kreislauf kennst und vielleicht sogar bildlich vorm inneren Auge hast, möchte ich fast wetten, dass dir künftig häufiger auffallen wird, wenn du dich darin wiederfindest. So wirst du dich womöglich beim Aufschieben oder Perfektionieren erwischen oder dabei, wie du Anerkennung runterspielst. Du wirst bewusst hinterfragen können, welche Gedanken diesem Verhalten vorausgegangen sind. Und allein das ist schon hilfreich. Weil es dir eine Entscheidung ermöglicht: Die bewusste Entscheidung, ob du einen Schritt zurücktreten und vielleicht sogar aus der wilden Fahrt im Impostor-Zyklus aussteigen möchtest. Apropos Entscheidung: damit fängt alles an. 

3 kleine Sofort-Strategien, um dem Impostor-Phänomen zu begegnen 

Oft bekomme ich, Anna, die Frage gestellt, was man denn nun tun könnte, um das Impostor-Gefühl loszuwerden. Darauf könnte ich hunderte Antworten geben oder eine. Hunderte, weil das Erleben und damit auch das, was hilft, sehr individuell sein kann. Und eine, weil ich überzeugt bin, dass alles mit einer Sache beginnt: einer Entscheidung. In diesem Fall zum Beispiel die Entscheidung, in die Selbstbeobachtung zu gehen, dich bei überzogenen Selbstzweifeln oder Selbstsabotage zu erwischen und Dinge anschließend mal anders zu denken und anders zu machen. So trivial, wie das klingt, ist das natürlich oft nicht. Deshalb hier drei Ideen, gewissermaßen Sofort-Strategien, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass du dich dafür entscheidest, seltener deinem Impostor zu glauben und noch mehr auf dich selbst zu vertrauen. 

  1. Mache dir dein Wofür klar: Wofür lohnt es sich für dich, es mit deinem inneren Impostor aufzunehmen? Was wäre dann anders? Was wäre möglich, was es jetzt noch nicht ist? Schreibe dir deine Antworten auf diese Fragen auf. Sie können dir helfen, weiterzugehen, wenn dich der Selbstzweifel das nächste Mal am liebsten wieder blockieren möchte.
  2. Übe dich darin, positives Feedback anzunehmen: Statt reflexartig abzuwinken oder „Ach, das war doch nichts”, sag einfach: Danke. Und: Lege dir am besten direkt einen Ordner an, in dem du Screenshots und O-Töne mit positivem Feedback zu dir, deinen Fähigkeiten und deiner Arbeit abspeichern kannst. Sollte dein innerer Impostor mal wieder anklopfen, tut es wirklich gut, dort einen Blick rein zu werfen.
  3. Suche dir Kompliz:innen: Manchmal braucht es Menschen, die an uns glauben, bevor wir es selbst so richtig tun. Menschen, von denen wir lernen können, weil sie Herausforderungen schon durchlebt haben, die wir selbst gerade meistern wollen. Manchmal braucht es Orte, an denen wir Selbstzweifel aussprechen, Pläne schmieden und Erfolge feiern können – Orte, an die wir aber genauso zurückkommen können, wenn mal etwas nicht so lief, wie gewünscht oder geplant. Suche dir solche Menschen oder Orte. Einen Ort wie den Workshop Accelerator ☺️

Fotocredit: Carolin Brandt

Anna Pietzka ist Psychologin und systemische Beraterin mit dem Schwerpunkt auf dem Impostor-Phänomen. Sie bietet Vorträge und Workshops für Organisationen an und arbeitet mit Einzelpersonen im Coaching. 

Ihre Klient:innen kommen mit Fragen wie: Wie kann ich mein Lampenfieber kurz vor einem Workshop in den Griff bekommen? Wie schaffe ich es raus, aus der perfektionistischen Prokrastination? Oder auch: Ist das, was ich erlebe, wirklich das Impostor-Phänomen – oder steckt vielleicht auch noch etwas anderes dahinter?

Außerdem hat Anna ein Buch zum Impostor-Phänomen geschrieben, das in der zweiten Jahreshälfte 2026 veröffentlicht wird – das genaue Datum steht noch nicht fest. Wenn du informiert werden möchtest, sobald das Buch erscheint, kannst du dich für Annas Newsletter anmelden oder ihr auf Instagram folgen.

P.S. Annas Erfahrungsbericht zum Workshop Accelerator liest du hier: https://workshopaccelerator.de/#annaausfuehrlich

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